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Personal – Präsenz – Psyche

22.02.22/Schwerin: Diese drei Schlagworte stehen für die Auswertung der gemeinsamen Umfrage des Landeselternrates, Landesschüler*innenrates und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Mecklenburg-Vorpommern (GEW MV). Trotz einer insgesamt geringeren Teilnahme als noch im vergangenen Schuljahr lässt sich ein fundiertes und differenziertes Meinungsbild zur aktuellen Lage an den Schulen von Schüler*innen und ihren Eltern sowie den Lehrkräften zeichnen.

Statement Kay Czerwinski, Vorsitzender Landeselternrat:

„Die gemeinsame Umfrage des Landes Schüler Rates, der GEW und des LandesElternRates zur Situation in Schulen im Februar 2022 gibt uns die Möglichkeit eines breiten Meinungsbildes aller an Schule Beteiligten. 3703 Eltern aus allen Kreisen des Landes, mit einer sehr heterogenen Verteilung der Schularten und Klassenstufen haben sich an unserer Umfrage beteiligt.

Personalnot ist und bleibt das größte Hemmnis bei der erfolgreichen Bewältigung dieser Pandemie. Eltern aus allen Kreisen, Schularten und Klassenstufen wünschen sich zum Schließen von entstandenen Lernlücken an erster Stelle mehr Lehrer, gefolgt von Fokussierung auf Kernfächer, weniger Leistungsdruck, kleinere Klassen und Entschlackung von Rahmenplänen. Notwendig sind daneben eine bessere und schnellere digitale und sächliche Ausstattung der Schulen, gefolgt von einer flächendeckenden Ausstattung mit Luftreinigungsgeräten. Nur 41% der Eltern sagen, dass der Lernstand ihres Kindes den Erwartungen voll oder ganz entspricht. 44 % schätzen diesen Rückstand zwischen 20% und mehr als 50% vom zu erwartenden Lernstand ein! Dieselben Fächer wie im letzten Jahr, Mathematik, Deutsch und Englisch, weisen den größten Rückstand aus. Sport ist in dieser Frage an 4. Stelle.

Mit dem Unterricht in diesem Jahr sind 48% der Eltern zufrieden. 41% sind unzufrieden.

Die schulischen Leistungen haben sich nach Einschätzung von 63% der Eltern teilweise oder stark verschlechtert. 76% der Eltern begrüßen die Entscheidung der Landesregierung die Schulen offen zu halten und 78% bevorzugen den Präsenzunterricht, da 74% der Eltern bei möglichen Schulschließungen Nachteile für ihre Kinder befürchten. Insbesondere soziale Kontakte, gemeinsames Lernen, direkter und sofortiger Austausch mit dem Lehrer sowie die Unvereinbarkeit von Arbeit und Homeschooling sprechen für den Präsenzunterricht. Für die Grundschule wird Präsenzunterricht als die einzig sinnvolle Unterrichtsform angesehen.

Die Mehrzahl der Eltern beschreiben eine starke familiäre Belastung der Familie durch die Pandemie. Die Pflicht zum Tragen einer Maske wird als störend, aber erträglich angesehen. Viele Eltern beschreiben das Tragen der Maske für ihre Kinder als psychisch und körperlich belastend. Immerhin 29% beschreiben gesundheitliche Beschwerden auf Grund des Tragens der Maske bei Ihren Kindern. 72% der Eltern empfinden die Testpflicht an Schulen als adäquates Mittel um Schulen offen zu halten. Nur 35% der Eltern befürchten, dass sich Ihre Kinder in der Schule mit dem Coronavirus anstecken können.

Viele dieser Antworten kennen wir schon aus unseren Umfragen der letzten Jahre. Lehrermangel und schlechte räumliche und sächliche Ausstattungen der Schulen stellen sich immer wieder als großes Hemmnis zur Bewältigung der Pandemie dar. Große Unterstützung bekommt die Entscheidung des Bildungsministeriums zum Festhalten am Präsenzunterricht.

Unverständlich bleibt der fehlende Abbau von bürokratischen Hürden, durch alle politisch Verantwortlichen, zur praktikablen Bewältigung dieser Pandemie. Zu oft und zu lange wurde und wird nach dem Prinzip Hoffnung entschieden. Der nächste Herbst wird kommen und dann muß dieses Land vollumfänglich auf eine mögliche 6. Welle vorbereitet sein. Das Wissen und die Möglichkeiten haben wir. Bitte nutzen Sie diese Möglichkeiten und bereiten die Schulen darauf vor.


Statement Paula Szumotalski, stellv. Landesvorsitzende Landesschülerrat:

Gestresst, unmotiviert, müde. Gemäß der landesweiten Umfrage des Landesschülerrats mit dem LER und der GEW beschreiben diese Worte die Grundstimmung in der Schülerschaft. Viele Schüler*innen gaben an, dass sie sich einen normalen Schulalltag zurückwünschen. Die Pandemiesituation belastet nicht nur die Kinder und Jugendlichen selbst, sondern darüber hinaus auch ihre Familien. Ein häufiger Vorwurf an die Politik ist zudem die Vernachlässigung der Schülerschaft. Viele fühlen sich nicht von Seiten der Bildungspolitik gehört - ein ernstzunehmendes Problem.

44 Prozent der Befragten gaben weiter an, dass sie dem derzeitigen schulischen Anspruch nur in Teilen genügen. Beunruhigend ist außerdem, dass die Leistungen der Schüler*innen gemäß Selbsteinschätzung abnahmen.

Positiv anzumerken ist hingegen die nunmehr verbesserte technische Ausstattung in vielen Teilen des Landes. Nichtsdestotrotz ist die digitale Fachkompetenz vieler Lehrkräfte stark ausbaufähig und muss fortlaufend durch Weiterbildungen gestärkt werden. Ganz besonders hervorzuheben ist nach Auswertung der Umfrage der stringente Wunsch nach Präsenzunterricht. Neben den behandelten Stoff- und Leistungsrückständen ist unumgänglich auch die psychische Gesundheit der Schüler*innen als Grund für den Präsenzunterricht zu nennen. Um diesem Wunsch gerecht zu werden, gilt auch in Zukunft die Einhaltung der Hygienemaßnahmen, namentlich die Durchführung von Selbsttests sowie der Gebrauch von Luftfilteranlagen.

Abschließend können der Umfrage neben den genannten Mängeln und Problemen einige Lösungsansätze und Forderungen entnommen werden. Der Fokus sollte in Zukunft vor allem auf den Kernfächern liegen, um etwaige Rückstände aufzuholen. Um diesen erhöhten Arbeitsaufwand sowie die sich häufenden Ausfälle durch Quarantäne und Infektionen zu kompensieren, muss mehr Lehrpersonal eingestellt werden. Personal, Präsenz, Psyche - dieser Leitspruch lässt sich aus der Umfrage ableiten und ist als dringende Forderung an die Schulpolitik zu verstehen.

Statement Annett Lindner, Landesvorsitzende GEW MV:

„Ein Hauptbefund der Umfrage, der sich auch im täglichen Kontakt mit unserer Mitgliedschaft bestätigt, ist die hohe Arbeitsbelastung der Pädagog*innen, die rund 90 Prozent der Teilnehmer*innen  gegenüber der Zeit davor als deutlich größer einschätzen“, erklärt die GEW-Landesvorsitzende Annett Lindner und schließt daraus die dringende Forderung an: „Der Mehraufwand, der durch die pandemiebedingten Organisationsaufgaben sowie durch das parallele Unterrichten in Präsenz und Distanz aber auch durch die Unterstützung beim Schließen von Lernlücken entsteht, muss dringend vergütet werden. Hierzu führen wir weiterhin Gespräche mit der Landesregierung.

Auch darüber, wie wir jetzt endlich eine bessere Personalausstattung erreichen können, denn das brauchen wir dringend in den Schulen – und das nicht erst seit Beginn der Pandemie.
Aus der Umfrage geht hervor, dass über die Hälfte der Schüler*innen moderate bis starke Lernrückstände hat. Um diese in den kommenden Monaten und Jahren auszugleichen, brauchen wir deutlich mehr Lehrkräfte, mehr Schulsozialarbeit und weiteres unterstützendes pädagogisches Personal. Das Programm „Stark machen und Anschluss sichern“ erzielt aus Sicht der Lehrkräfte kaum Effekte. Die GEW MV erneuert ihre Forderungen dahingehend, die Mittel des Aufholprogramms zur Stärkung der Personaldecke einzusetzen. Der Fokus muss auch in den kommenden Monaten auf der Ermöglichung des Präsenzunterrichtes liegen. Über die Hälfte der Lehrkräfte begrüßt, dass die Schulen selbst entscheiden können, ob in Präsenz, im Wechsel oder digital unterrichtet und damit auf die spezifische Infektionslage vor Ort eingegangen werden kann. Das 3-Phasen-Modell der Landesregierung hatte auch die GEW MV bei der Einführung unterstützt.

Vor allem die Teststrategie benennen die Kolleg*innen als wichtigen Faktor für die Öffnung der Schulen trotz hoher Infektionszahlen. Diese Strategie muss daher beibehalten und mit Blick auf den kommenden Herbst schon jetzt so ausgebaut werden, dass bei einer neuerlichen Welle, die für den Herbst prognostiziert ist, die Testung mittels PCR-Pool-Testung vorgenommen kann.
Das Tragen von Masken wird von den meisten Antwortenden als große Belastung und störend empfunden. Besonders in den Grundschulen und im Sprachunterricht widersprechen sie den pädagogischen Notwendigkeiten. Sollte die Infektionslage es aus Sicht von medizinischen Experten dennoch erforderlich machen, diese zu tragen, so muss eine ausreichende Belieferung mit Masken durch das Land erfolgen.

Viele Lehrkräfte haben die freien Antwortmöglichkeiten genutzt, um von ihrem Schulalltag zu berichten und davon, wie erschöpft sie selbst sind, aber auch darüber, wie unter ihrer Schüler*innen Resignation und Demotivation ansteigen. Dies macht deutlich, wie sehr alle Beteiligten durch die Pandemie an die Grenzen ihrer Kraft und darüber hinaus gegangen sind. Viele Probleme hätten wir heute nicht, wenn die Politik die Schulen schon in den vergangenen Jahren finanziell besser ausgestattet hätte. Seit Jahren fordert die GEW MV eine Personalausstattung deutlich über der Kontingentstundentafel sowie personelle und bauliche Standards für die inklusive Schule. Deshalb ist es wichtig, dass die Politik spätestens jetzt die berechtigten Anliegen aller an Schule Beteiligten genauso ernst nimmt, wie die Interessen der Wirtschaft. Wir brauchen jetzt Innovationswillen und Mut zu großen Investitionen für die Bildung im Land, um mit der strukturellen personellen und sächlichen Unterausstattung endlich Schluss zu machen.“


Ansprechpartnerin Presse: Michaela Skott (presse@gew-mv.de)
V.i.S.d.P. Kay Czerwinski, Paula Szumotalski, Annett Lindner
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Mecklenburg-Vorpommern
Lübecker Str. 265a – 19059 Schwerin
www.gew-mv.de

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Michaela Skott
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