Information für Mitglieder der DGB-Gewerkschaften im öffentlichen Dienst in Mecklenburg-Vorpommern
Gespräch über deutliche Verschlechterung im Disziplinarrecht gescheitert
Am 15. Januar 2021 haben der DGB und seine Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes ein Gespräch mit dem Staatssekretär des Ministeriums für Inneres und Europa geführt. Gegenstand des Gespräches waren geplante Veränderungen im Disziplinarrecht. Betroffen von den Änderungen wären alle Beamtinnen und Beamten sowie die Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger des Landes und der Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern.
Härteste Disziplinarmaßnahmen sollen künftig ohne Gerichtsurteil möglich sein
Ein Gesetzesentwurf des Ministeriums für Inneres und Europa sieht vor, dass in Mecklenburg-Vorpommern künftig auch die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und die Aberkennung des Ruhegehalts bei schweren Pflichtverletzungen durch eine Disziplinarverfügung der Dienstherren möglich sein sollen. Derzeit ist für diese beiden Disziplinarmaßnahmen eine Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht notwendig. Beide Maßnahmen können damit bisher nur von einem Gericht getroffen werden (Richtervorbehalt). Dieser Richtervorbehalt soll künftig entfallen. Als Begründung für diesen Vorstoß gab das Innenministerium in dem Treffen an, dass für schnelle Entscheidungen zu wenig Personal zur Verfügung stünde. Die Betroffenen müssten künftig also gegen die Disziplinarverfügung klagen. Die Klage hätte keine aufschiebende Wirkung. Begründet wird diese Änderung mit der Zunahme extremistischer Tendenzen und der daraus folgenden Notwendigkeit, Verfahren deutlich zu beschleunigen und zu vereinfachen.
DGB tritt für Beibehaltung des Richtervorbehalts ein
Der DGB und seine Gewerkschaften haben im Gespräch ihre Ablehnung des Gesetzesentwurfes sehr deutlich gemacht. Das Kräfteverhältnis im Disziplinarverfahren würde mit dem Gesetzesentwurf einseitig zu Gunsten der Dienstherren verschoben, die bisher durch den Richtervorbehalt gewährleistete Fairness und Waffengleichheit würde aufgehoben werden. Dies wäre ein massiver Eingriff in die Rechte der Beamtinnen und Beamten.
Dieser massive Eingriff in die Rechte der Beamtinnen und Beamten steht im direkten Widerspruch zu der in Pandemiezeiten immer wieder geäußerten Wertschätzung für den öffentlichen Dienst und deren Einsatz. Nun die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und die Aberkennung des Ruhegehalts deutlich erleichtern zu wollen, ist das Gegenteil von Wertschätzung und Respekt für den Einsatz der Beschäftigten.
Das Innenministerium hält am Gesetzesentwurf fest
Das Ministerium für Inneres und Europa hat trotz der Kritik deutlich gemacht, an dem Gesetzesentwurf festhalten zu wollen. Die Bitte des DGB und seiner Gewerkschaften, doch in der derzeitigen Hochphase der Pandemie auf einen derartigen Eingriff in die Rechte der Beamtinnen und Beamten zu verzichten und zu einem späteren Zeitpunkt eine vernünftige Diskussion zu ermöglichen, wurde mit wenig Verständnis auf-genommen.
Der DGB hat darüber hinaus kritisiert, dass nun die Taten Einzelner herangezogen werden, um die Rechte aller Beamtinnen und Beamten einzuschränken. Alternative wäre eine Stärkung der Justiz, um die Verfahren zeitnaher abzuschließen. Diese Option wird vom Innenministerium allerdings aufgrund der Haushaltslage als wenig realistisch eingeschätzt.
Kein Schutz vor Willkür beabsichtigt
Wenn schon das behördliche Disziplinarverfahren zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder zur Aberkennung des Ruhegehalts führen kann, dann sind aus Sicht des DGB und seiner Gewerkschaften zumindest die Rechte der Betroffenen und ihrer Personalvertretungen in diesem Verfahren zu stärken. Der bisher vorliegende Gesetzesentwurf sieht dies nicht vor. Der DGB hat hierfür Vorschläge vorgelegt. Diese Vorschläge will das Ministerium für Inneres und Europa nicht aufgreifen. Stattdessen wurde im Gespräch immer wieder darauf verwiesen, dass die Betroffenen doch im Nachhinein gegen die Entfernung aus dem Dienst vor den Verwaltungsgerichten klagen könnten. Die Klage soll aber keine aufschiebende Wirkung haben. Lange Verfahrensdauern gehen damit zu Lasten der Betroffenen.
Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf hätten die Personalräte im Falle einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder einer Aberkennung des Ruhegehalts weniger Möglichkeiten als im Falle der Kündigung eines Tarifbeschäftigten. Ein ordentliches Mitbestimmungsverfahren ist nicht vorgesehen. Auch einen speziellen Schutz für verbeamtete Personalratsmitglieder kennt der Gesetzesentwurf nicht.
Ein effektiver Schutz vor Willkür oder vor Einschüchterungsstrategien gegenüber Interessenvertretungen ist damit nicht gegeben.
Wie geht es nun weiter?
Der DGB wird bis zum 1. Februar 2021 seine schriftliche Stellungnahme zum Gesetzesentwurf abgeben. Parallel werden Gespräche mit weiteren Entscheidungsträgern im politischen Raum mit dem Ziel geführt werden, das Gesetzgebungsverfahren zu stoppen bzw. zumindest entsprechend unserer Vorschläge zu gestalten. Der vorliegende Gesetzesentwurf ist aus Sicht des DGB seiner Gewerkschaften nicht hinnehmbar und wird weiterhin deutlich abgelehnt.
Anmerkung von Annett Lindner, GEW-Landesvorsitzende:
Inmitten der Hochphase der Pandemie erwägt das Innenministerium schwerwiegende Eingriffe in die Rechte von Beamtinnen und Beamten. Dafür verkürzt es das sonst übliche Gesetzgebungsverfahren deutlich und beschneidet auf diese Weise die Beteiligungsrechte der Gewerkschaften. Nun plötzlich muss es also schnell gehen. Immer mehr Rechtsradikale finden sich auch im Beamtenstatus. Dieses Gesetz sei wichtig für die Stabilität unserer Gesellschaft meinte dazu der Staatssekretär im Innenministerium und verkennt dabei, dass es vor allem wichtig ist, sich selbst an demokratische Spielregeln zu halten.