Kolumne der GEW-Landesvorsitzenden
Corona: Brennglas für Mängel im Bildungssystem
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, zum Jahreswechsel haben wir angekündigt, dass wir, nachdem mit dem „200 Millionen Euro-Paket“ des Bildungsministeriums erste Erfolge unserer resPEKt-Kampagne aber auch unserer Bündnisarbeit sichtbar wurden, mit einem „heißen Frühling“ weitermachen würden. Doch dann kam „Corona“ und machte Stärken und Schwächen unseres Sozialstaates sichtbar.
Wie durch ein Brennglas zeigt diese Pandemie die Baustellen unseres Bildungssystems auf. Lehrkräftemangel und zu wenig jüngere Kolleg*innen, bauliche Mängel und technische Ausstattungsprobleme, eine fehlende digitale Bildungsstrategie – binnen kürzester Zeit wurde noch einmal deutlich, wie berechtigt unsere Kritik und wie notwendig unser Weg zur Veränderung ist.
Gleiches gilt für die Kitas und Horte. Wie lange schon setzen wir uns für einen landesweiten Mindestpersonalschlüssel und damit verbunden eine bessere Fachkräfteausstattung ein? Wie lange schon mahnen wir an, die Ausbildungssituation zu verbessern?
Aber auch im Bereich Hochschule und Forschung wurden die Probleme offenbar. Vor allem die grundlegenden Schwachstellen des elternabhängigen BAföG führen dazu, dass viele Studierende ohne Einkommen dastehen, da sie nicht anspruchsberechtigt sind. Auch prekär Beschäftigte, wie Lehrbeauftragte, stehen verschiedentlich ohne „Schutzschirm“ im Regen.
Mehr als einmal dachten wir in dieser Zeit: „Haben wir doch schon lange gesagt!“ Angemessen ausgestattete Bildungsorte, und damit meinen wir Krippen, Kitas, Horte, Schulen und Hochschulen gleichermaßen, können auch unter den Bedingungen einer Pandemie funktionieren. Doch davon sind wir an vielen Stellen noch weit entfernt.
Als Gewerkschaft haben wir über Wochen im „Krisenmodus“ gearbeitet. Wir haben an Krisengesprächen teilgenommen, beständig in eigenen Runden getagt, in engem Austausch mit euch gestanden, zahlreichen Anfragen beantwortet, aktuell informiert und, wo notwendig, Rechtsschutz gewährleistet. Wir haben dafür gekämpft, dass Erzieher*innen weiterhin ihr volles Gehalt erhalten und keine Minusstunden angerechnet werden dürfen. Wir haben uns u.a. dafür eingesetzt, dass die Lehrkräfte keinen Nachteil aus der Nutzung eigener Technik für das Distance Learning erfahren. Wir hatten auf Bundesebene Anteil an der Verlängerung der Promotionsstipendien und dem „Corona-BAföG“. Dies sind nur einige Beispiele für die vielen Schritte, die hinter uns liegen.
In den kommenden Wochen wird es darum gehen, wie wir Bildung einerseits und die Gesundheit aller andererseits möglichst gewährleisten können. Bewähren sich die Hygienekonzepte in den Kitas? Wie wird die Umsetzung des „Regelbetriebs“ in den Horten? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit wirklich alle Schülerinnen und Schüler nach den Sommerferien ein verlässliches und tägliches Bildungsangebot in den Schulen erhalten? Was passiert im Infektionsfall? Wie wird der Umgang mit Beschäftigten sein, die zur Risikogruppe gehören?
Uns allen muss klar sein: Erzieher*innen und Lehrkräfte arbeiten ohne Infektionsschutz. Keine Plexiglasscheibe schützt sie, kein Mindestabstand, keine großen oder klimatisierten Räume. Eine Maskenpflicht, wie sie jüngst gar ein Lehrerverband forderte, ist nicht nur pädagogisch, sondern bei mehreren Stunden täglichen Tragens auch aus gesundheitlichen Gründen falsch. Feste Gruppen mit festen und stets nachvollziehbaren Kontakten sind in der Praxis kaum umsetzbar. Deshalb fordern wir auch weiterhin die Verbesserung der personellen Situation in den Bildungseinrichtungen sowie systematische Tests, um das Infektionsgeschehen möglichst zeitnah im Blick zu behalten.
Niemand kann aus heutiger Sicht sicher sagen, was uns erwartet. Bitte seid Euch gewiss, wir sind weiterhin für Euch da. Für Euren Einsatz und Eure Mühen in dieser Zeit sagen wir an dieser Stelle: Danke!
Bleibt gesund und solidarisch!
Eure Landesvorsitzenden
Annett Lindner und Maik Walm