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Pressekonferenz:

GEW MV: Sommer nutzen – Aus Erfahrung lernen – Kraftanstrengung aller Parteien gefordert

Dieses Kita- und Schuljahr endet, wie es begonnen hat – mit großen Unsicherheiten über das, was da noch kommt und wie man das Erfahrene, verarbeitet. Das machten die beiden GEW-Landesvorsitzenden Annett Lindner und Maik Walm heute in einer Pressekonferenz deutlich.

Symbolfoto/GEW

„Allgemein nehmen wir wahr, dass eine große Müdigkeit herrscht. Die Menschen sind pandemiemüde und wirklich erschöpft. Das trifft auf Erzieher*innen und Pädagog*innen, wie auch Kinder und Jugendliche und ihre Familien gleichermaßen zu. Sie alle haben in den vergangenen Monaten unter schwierigen Bedingungen ihre Arbeit geleistet. Insbesondere unseren Kolleginnen und Kollegen in den verschiedenen Bildungseinrichtungen des Landes, von der Krippe bis zur Hochschule, aber auch in Wohngruppen wollen wir dafür zuerst unseren Dank aussprechen“, sagen die beiden Landesvorsitzenden. „Dabei ist uns sehr wohl klar, dass es nur selten möglich war, Bildung in der Form zu ermöglichen, wie es schon ohne die Bedingungen einer Pandemie oft ein schwieriger Balanceakt ist.“ Der Druck, der auf allen lastet, die Angst vor Ansteckung, die Doppelbelastung zwischen der Begleitung der eigenen Kinder und Job, war und ist im Bildungsbereich unglaublich hoch. So hat eine Erhebung der AOK gezeigt, dass Erzieher*innen im vergangenen Jahr diejenige Berufsgruppe waren, die am häufigsten eine Covid-19-Diagnose erhalten hat.

„Klar ist auch, dass die Corona-Pandemie die verschiedenen und zahlreichen Baustellen in der Bildung hervorgehoben, manche sogar erst offengelegt hat. Der Sozialstaat ist in vielen Bereichen, aber besonders in der Bildung, unterausgestattet. Der Föderalismus mit den unterschiedlichen Kompetenzebenen zwischen Bund, Land und Landkreisen/Kommunen hat oftmals dazu geführt, dass Unterstützung und Verbesserungen nicht oder erst spät in den Bildungseinrichtungen ankamen“, betonen Annett Lindner und Maik Walm. Als Beispiel dafür nennen sie die Maskenverteilung, die Entzerrung des Schulbusverkehrs, die fehlenden Hepa-Luftfilter und die kaum vorhandene Ausstattung mit digitalen Geräten und leistungsfähigen Internetzugängen. Positiv merken beide an, dass das Land u.a. bei den Testmöglichkeiten und Impfungen für Bildungsbeschäftigte nach anfänglichem Zögern doch noch reagiert und auch die Initiative für digitale Endgeräte für Lehrer*innen und einkommensschwache Schüler*innen ergriffen hat.

„Erschreckend war aus unserer Sicht der Umgang mit den Kitas und Horten. Hier wurde deutlich, dass beide Einrichtungen von Seiten der Wirtschaft, aber auch der Gesellschaft insgesamt, nicht als Bildungseinrichtungen wahrgenommen werden. Es ging hauptsächlich um die Betreuungsfrage. Ob die Erzieher*innen die Bildungsqualität aufrechterhalten können, war oftmals nicht einmal Gesprächsgegenstand. Hier werden wir als Bildungsgewerkschaft von der Politik in Zukunft noch deutlicher ein Bekenntnis einfordern, das erst durch Taten glaubhaft wird“, erklärt Annett Lindner. Dazu gehört auch die Umsetzung besserer Betreuungsschlüssel, um mehr Personal in die Kitas zu bringen.  

„Seit 2018 arbeitet die GEW MV an einem landesweit einheitlichen gesetzlichen Mindestpersonalschlüssel, der auskömmlich gestaltet werden muss. Das Land hat sich hier nicht weiter auf die Erzieher*innen zubewegt. Deshalb sind wir im vergangenen Kita-Jahr dazu übergegangen, zivilgesellschaftliches Engagement in Form von Bürgerbegehren auf der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte dieses Ziel zu unterstützen und zunächst dort voranzugbringen, wo die Einrichtungen besonders schlecht finanziert werden. Zuletzt haben wir in Rostock und im Landkreis Rostock insgesamt über 14.000 Unterschriften gesammelt. In Rostock versucht aktuell das Innenministerium einen Bürgerentscheid zu verbieten. Im Landkreis will man den Entscheid auf den Zeitraum nach der Wahl verlegen, um auf diese Weise den Erfolg zu verhindern. Wir werden uns als Gewerkschaft jedoch nicht davon einschüchtern lassen und weiterkämpfen!“

Gekämpft hat die GEW MV auch an anderer Stelle. Trotz der Pandemie konnten erneut Tarifabschlüsse in Anlehnung oder mit Übernahme des TVÖD erreicht werden. „Digitale Tarifverhandlungen waren auch für uns Neuland“, erklärt Annett Lindner. „Umso mehr freuen wir uns, dass es dennoch gelungen ist, das Gehaltsniveau für Erzieher*innen weiter zu verbessern. Mit jedem Abschluss geraten weitere Träger unter Druck, auch besser zu zahlen. Das verbessert insgesamt die Attraktivität des Erzieher*innenberufes.“ 

Maik Walm zieht eine Bilanz für die allgemeinbildenden und beruflichen Schulen im Land: „Die Umfrage, die wir gemeinsam mit dem Landesschülerrat und dem Landeselternrat durchgeführt haben, hat klar aufgezeigt, dass sich die teilnehmenden Pädagog*innen an vielen Stellen allein gelassen gefühlt haben. Das Arbeitsaufkommen war sehr hoch, d.h. ein Großteil der Befragten leistete über Monate belastende Mehrarbeit und das verschiedentlich rund um die Uhr – sieben Tage die Woche. Gleichzeitig ist es aufgrund der fehlenden sächlichen und personellen Voraussetzungen nicht gelungen, Lernprozesse auch in Pandemiezeiten beständig und bei allen Schüler*innen zu begleiten und Lernziele erfolgreich zu erreichen. Von der Schule monatelang ferngehaltene Jahrgänge darf es nicht mehr geben. Vielfach bemängeln unsere Kolleginnen und Kollegen die Kommunikation seitens des Arbeitgebers. Oft war viel zu wenig Zeit, um neue Regeln verlässlich einzuführen. Vor allem die, in den vergangenen Jahren stockende, Umsetzung der Digitalisierung hat sich aus Sicht der Schulen nun gerächt. Hier fühlen sich die Bildungseinrichtungen zwischen den Zuständigkeiten aufgerieben. Unklar bleibt, weshalb bspw. die Landkreise/kreisfreien Städte die durch das Land zugesagten Sofortmittel für Endgeräte nicht schnell angenommen und umgesetzt haben. 

Für die Zukunft muss klar sein: So etwas darf nicht wieder passieren! Wir brauchen jetzt eine klare Perspektive und den Willen aller zur effizienten Zusammenarbeit, um das erfolgreiche Weiterlernen aller Schüler*innen im neuen Schuljahr und darüber hinaus zu ermöglichen. Der Sommer muss genutzt werden, um Erfahrungen klug gemeinsam auszuwerten und sich auch auf eine denkbare Zunahme der Infektionszahlen im Herbst vorzubereiten. Dafür braucht es Szenarien, die konkrete Maßnahmen für den Schutz von Bildung und Gesundheit entsprechend der Pandemieentwicklung beinhalten. Dabei könnten best practice-Lösungen bspw. hinsichtlich des Umgangs mit der Teststrategie, Wechselunterrichts oder der digitalen Beschulung auch zentral übernommen werden.
 
Das Aktionsprogramm des Landes geht bzgl. des Weiterlernens der Schüler*innen in die richtige Richtung, kann seine Wirkung nur dann ausreichend entfalten, wenn die Maßnahmen Unterricht und Schule zentral und direkt stärken. Wir fordern hier nach wie vor einen CORONA-Faktor in der Stundenzuweisung, ein flexibles Budget für alle Schulen und die Überarbeitung der Bildungsziele. Verantwortlich für die Größe der Baustelle ist die Bildungspolitik der vergangenen Jahre, an der in unterschiedlichen Regierungen sowohl die SPD als auch die CDU und die Partei Die Linke beteiligt waren. Als GEW fordern wir alle Parteien zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung für die Kinder und Jugendlichen unseres Landes auf! Als GEW werden wir den „Bildungspakt Gute Schule 2030“ vorantreiben, um die Schulen zukunftssicher aufzustellen.“


V.i.S.d.P. Maik Walm/Annett Lindner

Kontakt
Michaela Skott
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