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Kein Goldtopf am Ende des Regenbogens - GEW besucht Kita Regenbogenland in Hagenow

Eins, zwei, drei, vier … in der Kita Regenbogenland in Hagenow ist heute viel Besuch zu Gast. Die Kleinen zählen laut. Fünf, sechs, sieben … so viele Erwachsene tummeln sich hier sonst nur selten. Bei 19 hören sie auf zu zählen. Staunende Kinderaugen auf der einen Seite, nachdenkliche Gesichter auf der anderen. Die GEW M-V hat an diesem Tag in die Kindertagesstätte zu einem vor-Ort-Termin eingeladen.

Große Resonanz auf Einladung der GEW M-V

Im Rahmen der Kampagne „Bildung. Weiter denken!“ besucht die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe deutschlandweit regelmäßig Bildungseinrichtungen. Diesmal ist sie in Hagenow zu Gast. Gewerkschafter*innen, die Kitaleiterinnen, Vertreter*innen der Landespolitik und der Bürgermeister sowie Mitarbeiter*innen aus der Verwaltung sind gekommen. Die Resonanz ist groß. Die Kommunal- und Europawahlen stehen vor der Tür. Außerdem soll das Kindertagesförderungsgesetz novelliert werden. Die Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, SPD, will ein Wahlversprechen einlösen und ab 2020 die Elternbeiträge komplett abschaffen. Seit Beginn des Jahres muss bereits nur noch für das erste Kind in einer Einrichtung gezahlt werden. In der Kita „Regenbogenland“ werden 330 Kinder werden in Krippe, Kindergarten und Hort betreut. Einrichtungen dieser Größe, noch dazu in kommunaler Trägerschaft, sind im Nordosten der Republik nicht mehr so häufig anzutreffen. Der Grund: Sie zahlen nach TVÖD.
In Mecklenburg-Vorpommern, wo lange Zeit die Löhne niedrig, die Arbeitslosigkeit hoch und die Steuereinnahmen gering waren, wird die Kinderbetreuung überwiegend an freie Träger ausgelagert. Niedriglöhne für die Erzieher*innen waren die Folge und sind noch heute oft an der Tagesordnung.

Zu wenig Personal – per Gesetz

Doch das ist längst nicht das einzige Problem, mit dem sich die Kolleg*innen in den Einrichtungen auseinander setzen müssen. Es fehlt an Personal. Das hat zunächst nichts mit dem jüngst wachsenden Fachkräftemangel zu tun. Vielmehr ist das Problem hausgemacht. Seit Jahren fordert die GEW im Land, die Ausbildungskapazitäten deutlich nach oben anzupassen und mehr Fachkräfte in die Kitas zu schicken. Mit einer Fachkraft-Kind-Relation von 1:6 in der Krippe, 1:15 im Kindergarten und 1:22 im Hort kommen die Erzieher*innen täglich an ihre Grenzen. Und genau darum geht es in den Gesprächen an diesem Tag. Kita-Leiterin Daniela Buseke schildert eindrücklich welche Probleme sie hat, die Dienste abzusichern. Die großen Gruppen sind für Kinder und Erzieher*innen gleichermaßen schlecht. Nicht einmal die eigenen Vorgaben sind vom Land bisher komplett finanziert. In der Praxis wird deshalb der ohnehin schon hohe Schlüssel oft genug noch überschritten.
Es fehlt Personal, um Urlaub, Krankheiten oder Elternzeit abzudecken. Und obwohl eine Vor- und Nachbereitungszeit gesetzlich schon lange vorgesehen ist,  wird die entsprechende Finanzierung erst mit der neuen Gesetzesnovelle kommen. „Mehr Qualität in Kitas“, nennt das Sozialministerin Stefanie Drese, SPD. „Beseitigung eines bestehenden Umsetzungsdefizits“, kontert die GEW-Landesvorsitzende Annett Lindner. Letztere ist an diesem Tag ebenfalls in Hagenow vor Ort, während die Sozialministerin im zuständigen Landtagsausschuss den Abgeordneten die Eckdaten des neuen Gesetzes zur Elternentlastung nahe bringt. Daniele Buseke und ihre Kolleginnen machen klar: „Bewerbungen auf unsere Stellen haben wir noch mehr als genug“. Fachkräftemangel ist hier noch kein Thema. Platzmangel hingegen schon. Seit einiger Zeit geht es aufwärts im Land. Es werden wieder mehr Kinder geboren. Mehr Menschen kommen in Arbeit. Junge Familien brauchen Betreuungsplätze.

ENZ-Ausbildung macht Probleme

Marlis Tepe hört aufmerksam zu. Auch als Bürgermeister Thomas Möller von seinen Anstrengungen berichtet, die Ministerpräsidentin auf ein weiteres Problem hinzuweisen. Seit 2017 bildet das Land so genannte ENZ-Erzieher*innen aus. Als Antwort auf den Fachkräftemangel werden, anders als bisher, Erzieherinnen für Kinder von null bis zehn Jahren in einer dualen Ausbildung in nur drei Jahren zu einem Berufsabschluss geführt. Der vierjährigen Fachschule, die auch noch überwiegend selbst finanziert werden muss, steht nun eine, durch die Ausbildungsvergütung und geringere Dauer, scheinbar attraktivere Ausbildung gegenüber. Die Einrichtungen sollen davon profitieren, dass die Auszubildenden einen deutlich höheren Praxisanteil haben. Doch das vermeintliche „Geschenk“ entpuppt sich als vergiftet. Insbesondere in den ersten zwei Jahren sind die künftigen Erzieher*innen selten im Haus. Ihre Betreuung durch Mentor*innen wird zeitlich nicht berücksichtigt. Dafür werden die Auszubildenden selbst auf die Fachkraft-Kind-Relation angerechnet. Der Träger bleibt auf den Kosten sitzen. Erschwerend kommt hinzu, dass diese jungen Kolleg*innen noch nicht wissen, ob sie später genauso bezahlt werden, wie die Erzieher*innen mit einer Fachschulausbildung. Alle diese Problem hat der Bürgermeister in einem Brief bereits vor längerer Zeit der Ministerpräsidentin geschildert. Eine Antwort hat Thomas Möller bis heute nicht. Das Geld für echte Verbesserungen in der Qualität könnte aus dem Gute-Kita-Gesetz kommen. M-V nutzt die Millionen vom Bund jedoch fast ausschließlich für die Beitragsbefreiung der Eltern. Für diese Möglichkeit hatte sich Manuela Schwesig auf Bundesebene nachdrücklich eingesetzt. Ihr Maxime: Bildung muss von Anfang an kostenfrei sein. 

Marlis Tepe: Qualität geht vor

Im Gespräch stellt Marlis Tepe klar: „Aus meiner Erfahrung auf Bundesebene wollen die Eltern die Beitragsentlastung. Vielerorts in Deutschland ist die Kinderbetreuung so teuer, dass es sich kaum lohnt, eine Arbeit anzunehmen. Gleichzeitig sagen wir als Gewerkschaft, dass wir in unseren Einrichtungen zuerst auf gute Qualität achten müssen. Und die muss finanziert werden. Hier sehe ich das Land in der Pflicht.“  Marlis Tepe unterstützt deshalb die Forderung des GEW-Landesverbandes nach einem gesetzlich geregelten, landesweit einheitlichen Mindestpersonalschlüssel. „Diese Bezugsgröße stellt sicher, dass alles, was das Gesetz zur Betreuungsqualität vorgibt, umgesetzt werden kann. So muss pro Fachkraft ein Puffer für mögliche Ausfallzeiten, wie Urlaub oder Krankheit, eingeplant werden. Außerdem dürfen die ENZ-Auszubildenden nicht weiterhin auf die Fachkraft-Kind-Relation angerechnet werden“, erklärt Annett Lindner und lässt keinen Zweifel daran, dass die GEW die heutigen gesetzlichen Regelungen längst nicht für ausreichend im Sinne einer hohen Betreuungsqualität und guter Arbeitsbedingungen hält.