Zum Inhalt springen

Corona-Prämie:

GEW MV gewinnt vor Bundesarbeitsgericht!

„Am 04.07.2024 war die GEW zum zweiten Mal dieses Jahr in Erfurt vor dem Bundesarbeitsgericht aktiv. Unter dem Aktenzeichen 6 AZR 206/23 wurde heute über den Anspruch auf die volle Corona-Sonderzahlung während einer Teilzeittätigkeit in Elternzeit Recht gesprochen. Erfreulicherweise mit einem positiven Ausgang für unser Mitglied. Doch der Reihe nach: 

Auf dem Bild ist am linken Rand in Nahaufnahme ein halber Kopf mit einer Atemschutzmaske vor einem unscharfen, grünen Hintergrund zu sehen.
Foto: pixabay.com

Was war passiert?

Unser Mitglied ist beim Land Mecklenburg-Vorpommern angestellt. Es übte eine Vollzeittätigkeit aus. Für das Arbeitsverhältnis galt und gilt der TV-L. Im Jahr 2021 erweiterte sich das Familienglück unseres Mitgliedes und es ging in Elternzeit. Gleichzeitig  wurde ein Teilzeitverhältnis während der Elternzeit vereinbart. Bei der Auszahlung der Corona-Sonderzahlung in 2022 bekamen alle Beschäftigten des Landes diese Sonderzahlung entsprechend des jeweils im Arbeitsvertrag vereinbarten Beschäftigungsumfanges. Auch Beschäftigte in Elternzeit. In § 2 Abs. 2 S. 4 TV Corona-Sonderzahlung vom 29.11.2021 ist festgehalten, dass, sofern das Arbeitsverhältnis am Stichtag (29.11.2021) ruhte, die Verhältnisse am Tag vor Beginn des Ruhens maßgeblich sind. Während der Elternzeit ruht das Arbeitsverhältnis. Dementsprechend gelten die Verhältnisse vor Beginn der Elternzeit. Alle in Elternzeit befindlichen Beschäftigten erhielten demnach eine Corona-Zahlung entsprechend des Grundvertrages: volle Höhe bei Vollzeit und anteilig bei Teilzeit. Auch unser Mitglied hat eine Sonderzahlung erhalten.  

Wo liegt dann das Problem?

Berechtigte Frage. Da unser Mitglied während der Elternzeit in Teilzeit weitergearbeitet hat, kam das Land auf die Idee, die Sonderzahlung nur anteilig entsprechend des Teilzeitanteiles zu zahlen. Statt der vollen Zahlung für die Vollzeit in dem Grundarbeitsverhältnis, erhielt unser Mitglied lediglich ein Viertel der Zahlung. Dazu hatten wir als GEW MV eine andere Rechtsauffassung, die das Land bei dem Versuch einer außergerichtlichen Streitbeilegung nicht teilen wollte.  Mit unserer Unterstützung ging unser Mitglied vor Gericht und klagte. Letztlich mussten wir den Rechtsweg voll ausschöpfen. Das Arbeitsgericht Schwerin gab uns in seiner Entscheidung vom 28.09.2022 Recht. Die eingelegte Berufung des Landes vor dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (LAG) hatte keinen Erfolg. Das LAG bestätigte das ArbG Schwerin mit Urteil vom 13.07.2023. Das Land wollte sich damit jedoch nicht abfinden und legte daraufhin Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) ein. In der Verhandlung vor dem 6. Senat des BAG am 4. Juli wies das Land durch seine Prozessvertreterin zu Recht darauf hin, dass es sich bei dem Teilzeitarbeitsverhältnis während der Elternzeit und dem Grundarbeitsverhältnis nicht um zwei voneinander losgelöste Arbeitsverhältnisse handelt. Diese sind vielmehr als einheitliches Arbeitsverhältnis anzusehen, da das Teilzeitarbeitsverhältnis während der Elternzeit ja auf dem Grundarbeitsverhältnis aufbaut und zu wesentlich gleichen Bedingungen (Eingruppierung, Urlaubsregelungen etc.) weitergeführt wird. Nur eben die Arbeitszeit wäre verringert und den Umständen angepasst. Dementsprechend müsse (aus Sicht des Landes) von dem Teilzeitverhältnis bei der Berechnung der der Sonderzahlung auszugehen sein, da das einheitliche Arbeitsverhältnis eben nicht ruhe. Das Grundarbeitsverhältnis trete bewusst und gewollt in den Hintergrund. Anderenfalls wären auch die „normalen“ Teilzeitbeschäftigten benachteiligt.

Demgegenüber vertraten wir, vertreten durch die Revisionsstelle des DGB-Rechtsschutz, die Auffassung, dass zwar von einem einheitlichen Arbeitsverhältnis auszugehen sei und das Grundarbeitsverhältnis in den Hintergrund trete, aber keinesfalls aufgegeben würde. Es schwingt im Hintergrund mit und lebt nach der Elternzeit in vollem Umfang wieder auf. Die Betreffenden haben sich nicht gegen das Vollzeitarbeitsverhältnis entschieden und die Vollzeit nicht beendet. Dieses Arbeitsverhältnis ruht und wird lediglich durch das Teilzeitarbeitsverhältnis während der Elternzeit ergänzt. Somit müsse die Sonderzahlung zwingend entsprechend des ruhenden Grundarbeitsverhältnisses bemessen werden. Dies trüge auch dem Ansinnen der Tarifvertragsparteien Rechnung, die ja speziell diese Fälle mit bedenken und nicht außer Acht lassen wollten.

Es gäbe hier zwei Möglichkeiten, wie die Konstellation zu betrachten wäre:
Möglichkeit 1 besagt, dass das Grundarbeitsverhältnis ruht, also findet die Regelung des § 2 Abs. 2 S. 4 TV Corona-Sonderzahlung Anwendung.Möglichkeit 2 beinhaltet, dass das Arbeitsverhältnis teilweise ruht und teilweise (entsprechend des Teilzeitanteiles) aktiv ist.
Beide Möglichkeiten führen am Ende zum gleichen Ergebnis. Unser Mitglied hat ein Vollzeit-Grundarbeitsverhältnis. Ruht dies, erhält sie die volle Sonderzahlung. Ruht dies nur teilweise, müsse dieser Teil aufgrund der Ruhensregelung zu dem für den anteiligen aktiven Teil der Teilzeitarbeit während der Elternzeit hinzugerechnet werden. Auch dies führt zu einer Corona-Sonderzahlung in voller Höhe. 

Der 6. Senat des BAG stimmte in der Verhandlung in diesen Tenor mit ein und gab folgende Hinweise an die Beteiligten, bevor es sich zur Beratung zurückzog: Zum einen hat der 9. Senat des BAG in 2005 in einem Fall der erneuten Verringerung einer Teilzeittätigkeit geurteilt, dass das Arbeitsverhältnis dann teilweise ruhe. Vor diesem Hintergrund müsse hier durch Auslegung ermittelt werden, was genau Ruhen des Arbeitsverhältnisses in diesem Zusammenhang bedeutet und ggf. auch von einem teilweisen Ruhen ausgegangen werden müsse, zum anderen gab der verhandelnde 6. Senat zu bedenken, dass gesellschaftlich auch nicht zu billigen wäre, wenn Beschäftigte, die während der Elternzeit noch zusätzlich Ihre Arbeitskraft anböten, weniger Sonderzahlung erhielten, als jene, die gar nichts täten und das Arbeitsverhältnis einfach ruhen ließen. Dies wäre ggf. nicht kohärent und führe zur Unwirksamkeit der Praxis. 

Auf das Argument der Ungleichbehandlung der Teilzeitbeschäftigten untereinander führte das Gericht an, dass es eine Entscheidung des 1. Senates des BAG gäbe, wonach es kein Verbot der Ungleichbehandlung von „normaler“ Teilzeit im Vergleich zur Teilzeit in Elternzeit gäbe. Diese Entscheidung müsse hier ggf. auch überprüft werden.  

Und was kam nun raus?

Der 6. Senat des BAG gab uns in der Sache voll Recht und stützte die Entscheidungen der beiden Vorinstanzen. Er wies die Revision des Landes vollumfänglich zurück. Ein toller Erfolg auf ganzer Linie, der nicht nur unserem mutigen Mitglied zur vollen Sonderzahlung  verhilft, sondern allen Betreffenden, die Ihren Anspruch geltend gemacht haben. Auch für künftige Sonderzahlungen dürfte diese Entscheidung wegweisend sein. Es zeigt sich mal wieder, dass Mut belohnt wird. 

Traut euch daher, Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen! Zwar ist nicht jedes Verfahren von Erfolg gekrönt. Doch wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren! Und auf Letzteres baut das Land an vielen Stellen. Gemeinsam sind wir viele! Und stark!

>>> Wer damals seinen Anspruch geltend gemacht hat, sollte nun an das Land herantreten. Die Verjährungsfrist endet am 31.12.2025. Unsere Mitglieder können sich gerne an uns wenden. <<<

Kontakt
Madeleine Woyke (Volljuristin)
Rechtsschutz
Adresse Lübecker Straße 265 a
19059 Schwerin
Telefon:  +49 385 485 27 - 29
Fax:  +49 385 485 27 - 24