Darin sind neben bildungspolitischen Forderungen auch konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssituation für Lehrkräfte aufgelistet. Von der Reform des Lehramtsstudiums bis zur A13/E13 für alle Lehrämter; von der Senkung der Pflichtstunden und Altersteilzeit über Anrechnungsstunden und die Reduzierung von pädagogisch nicht relevanten Aufgaben; von der Begleitung und Qualifizierung von Seiteneinsteiger*innen bis hin zu speziellen Forderungen für das Personal mit sonderpädagogischer Aufgabenstellung: Das Konzept folgt einem differenzierten Verständnis von Qualität und Arbeit in der Schule. Zahlreiche Themenbereiche sind erfasst und Forderungen sowie Lösungsvorschläge greifen ineinander beziehungsweise bauen aufeinander auf.
„Im Rückblick auf die Entwicklung im Schulbereich in den vergangenen 25 Jahren hat das Land einen grundlegenden Wandel vollzogen, der für die Lehrkräfte mit großen Herausforderungen und auch persönlichen Opfern einherging“, erklärt die GEW-Landesvorsitzende Annett Lindner in der heutigen Landespressekonferenz. „Mit dem Lehrerpersonalkonzept verzichteten die Lehrer*innen in einem solidarischen Kraftakt über lange Zeit auf Unterrichtsstunden als die Zahl der Schülerinnen und Schüler nach der Wende deutlich gesunken war. So wurden Kündigungen vermieden. Später nahmen sie die Anhebung der Pflichtstundenzahl und damit einhergehend eine Gehaltskürzung als Sparmaßnahme des Landes hin – immer den Arbeitsplatzerhalt im Blick. Heute stehen wir vor einer völlig neuen Situation“, sagt die Gewerkschafterin. Die erläutert der GEW-Landesvorsitzende Maik Walm so: „Heute befindet sich Mecklenburg-Vorpommern unter anderen Vorzeichen in einer dramatischen Situation. Sowohl das Land, als auch wir als Gewerkschaft, stehen vor der Aufgabe, Lösungen für eine Schule zu entwickeln, in der die Zahl der Schüler*innen erfreulicherweise steigt und grundlegende Bildungsreformen angegangen werden, die Zahl der Beschäftigten aber bereits jetzt zu gering ist und weiter sinken wird.“
Die entsprechenden Zahlen dazu sind alarmierend. Bis 2030 brauchen wir etwa 8700 neue Lehrer*innen, d.h. 80 % der jetzt arbeitenden und erfahrenen Kolleg*innen sind dann nicht mehr da. Zwei Drittel der Lehrkräfte an öffentlichen allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sind älter als 50 Jahre. Weniger als zehn Prozent der Lehrkräfte haben in den vergangenen 5 Jahren bis zur Regelaltersgrenze gearbeitet. Neue Lehrer*innen aus den eigenen Hochschulen werden den Bedarf aktuell und zukünftig nur schwer decken.
Je nach Lehramt haben zwischen 30 und 85 Prozent der Studierenden des Jahrganges 2012/2013 die Prüfungsphase zum ersten Staatsexamen nicht im angestrebten Fach erreicht.
Ein langfristig ausgerichtetes Personalentwicklungskonzept forderte die Bildungsgewerkschaft vom Land erstmals mit Auslaufen des Lehrerpersonalkonzepts im Jahr 2014. Es muss aus Sicht der GEW mehrere Anforderungen erfüllen: „Wir müssen die lange bestehende Gerechtigkeitslücke in den Kollegien angehen. Die Teilzeit und die gleichzeitige Lohnkürzung durch die Erhöhung der Pflichtstunden haben zu Lohn- und damit zu Renteneinbußen bei vielen älteren Lehrkräften geführt. Gleichwohl sind sie diejenigen, die das Schulsystem über lange Zeit getragen haben und es auch in Zukunft noch tun müssen. Sie arbeiten zusammen mit verbeamteten Lehrkräften, die wesentlich bessere Gehalts- und Pensionsaussichten haben und Lehrer*innen im Seiteneinstieg mit schwierigen Bedingungen. Wir brauchen eine gerechte Lösung, die gutes gemeinsames Arbeiten unterstützt“, beschreibt Annett Lindner einen wesentlichen Punkt der Gewerkschaftsforderungen. Ein Personalentwicklungskonzept muss gleichzeitig die Aus-, Fort- und Weiterbildung in Qualität und Quantität deutlich verbessern.
„Für die schwierige Aufgabe, die wir gemeinsam im Land lösen müssen, braucht es einen belastbaren Vertrag. Wir fordern deshalb eine koalitionsrechtliche Vereinbarung, einen Pakt zwischen Gewerkschaften und Landesregierung “, so Maik Walm. „Wir werden die nächsten zehn bis 15 Jahre wie bisher bundesweit um angehende und tätige Lehrkräfte konkurrieren und gleichzeitig große Bildungsreformen wie Inklusion und Digitalisierung umsetzen. Es braucht keine Revolution, sehr wohl aber grundlegende Reformen und die Bereitschaft, in revolutionärer Geschwindigkeit parteiübergreifend und verantwortlich zu handeln. Der Doppelhaushalt 2020/2021 bietet Raum dafür. Die jetzigen Schüler*innen und Fachkräfte in unseren Schulen können nicht warten“, stellt er abschließend fest.
Die GEW M-V wird nach der heutigen Präsentation in Gesprächen mit den Schulen, Kooperationspartner*innen, der Landesregierung und dem Landtag ausloten, welche Möglichkeiten es gibt, das PEK gemeinsam umzusetzen, um den Arbeitsplatz Schule und die Lehrer*innenbildung zukunftssicher zu entwickeln.
GEW fordert Pakt für gute Schule - Schüler*innen und Fachkräfte können nicht länger warten
MIT VIDEO! In einem mehrere Monate andauernden Prozess hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Mecklenburg-Vorpommern (GEW M-V) gemeinsam mit ihren Mitgliedern ein Personalentwicklungskonzept (PEK) erarbeitet, das sie heute der Öffentlichkeit vorgestellt hat. Das Konzept beschäftigt sich mit der Frage, wie die Wege in den Beruf als auch der Arbeitsplatz Schule für Lehrer*innen grundlegend weiterentwickelt und damit attraktiver werden können. Es umfasst in fünf Themenbereichen insgesamt 73 Einzelpunkte.