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Auf den Schultern von Zwergen

Montag, 18.00 Uhr: Die Fenster der Universitätsgebäude sind dunkel. Doch irgendwo brennt noch Licht. Im Büro der Hilfskräfte wird noch fleißig gearbeitet. Hilfskräfte leisten an Universitäten einen nicht zu verachtenden Teil der wissenschaftlichen, künstlerischen und organisatorischen Arbeit. Häufig wird unterschätzt, dass sie nicht nur Virtuos*innen am Kopierer sind, sondern in vielen Fällen auch tatsächliche Projektarbeit leisten. Welche Unterschiede es im Hilfskräftesystem gibt, welche Probleme damit verbunden sind und was Gewerkschaften damit zu tun haben, erfahrt ihr in diesem Artikel.

zuerst in der Februar-Ausgabe 2023 No. 160  des Moritz.Magazins (webmoritz.de) erschienen.

Der feine Unterschied

Klären wir zunächst die Definition, denn: Hilfskraft ist nicht gleich Hilfskraft – oder doch? Hilfskräfte an Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern sind zunächst einmal all diejenigen, die »Dienstleistungen in der Lehre, Forschung und in Entwicklungsvorhaben« ausführen. Formal können als studentische Hilfskräfte (SHK) jene Studierende eingestellt werden, die an einer Hochschule immatrikuliert sind, während für die wissenschaftlichen Hilfskräfte (WHK) der Zusatz eines abgeschlossenen ersten Hochschulstudiums hinzukommt (§ 6 WissZeitVG i. V. m. § 79 LHG M-V). Anmerkung der Redaktion: Lest hierzu auch den Artikel »Lehren, Forschen, Ausbeuten« von Laura Schirrmeister im webmoritz.

Gleiche Arbeit – gleiches Geld

Im Musterarbeitsvertrag, den die Universität Greifswald mit den Hilfskräften abschließt, finden sich keine Unterschiede bei der Tätigkeitsbeschreibung der SHK und der WHK. Es heißt, dass sich die Tätigkeit nach der »Richtlinie über die Beschäftigung und Arbeitsbedingungen wissenschaftlicher und studentischer Hilfskräfte an den Hochschulen des Landes richte. Aber auch aus dieser lassen sich keine Rückschlüsse auf unterschiedliche Tätigkeiten nach Hochschulabschluss ziehen. Sichtbar ist eine Unterscheidung vor allem bei der Vergütung. Bis Oktober 2022 haben SHK 10,63 Euro verdient, während WHK mit 12,37 Euro für ihre Arbeit entlohnt wurden. Seit der Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro im Oktober 2022 hat sich dies geändert. Studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte verdienen nun beinahe das gleiche Geld.

Sonderfall Verwaltung

Die Verwaltung an Hochschulen stellt einen Sonderfall bei der Anstellung von Hilfskräften dar, denn strenggenommen sind Hilfskräfte dort nicht zulässig. Das Bundesarbeitsgericht hat im Juni 2021 eine enge Auslegung des Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) vorgenommen und damit deutlich gemacht, dass Studierende, die an der Uni arbeiten, nicht zwangsläufig studentische Hilfskräfte sind. Dies belegte erst kürzlich ein Beispiel aus Rostock. Im September hatte dort eine studentische Hilfskraft der Universitätsbibliothek gegen seinen Arbeitgebenden geklagt und vor dem Arbeitsgericht Recht bekommen. Die Begründung: Der Studierende, ein Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), führe an der Universitätsbibliothek keine wissenschaftliche Hilfstätigkeit aus, sondern im rechtlichen Sinne nicht-wissenschaftliche, heißt verwaltende Hilfstätigkeiten. Damit stand dem Klagenden eine Besoldung nach dem Tarif der Mitarbeitenden der Universitätsbibliothek zu. Die Uni ging daraufhin nicht etwa in Berufung oder zog bei der Besoldung der anderen Hilfskräfte der Universitätsbibliothek nach, sondern ließ alle weiteren Verträge mit den verbliebenen 26 studentischen Mitarbeitenden auslaufen. Die Konsequenz daraus müsse nun eine strikte Aufgabenbeschreibung für studentische Hilfskräfte sein, so Prorektor Julius Richert. Auch in anderen Bundesländern wird die Anstellung von Hilfskräften geprüft. In Sachsen geschah dies bereits vor zwei Jahren. Auf Anweisung des Wissenschaftsministeriums prüfen die Universitäten die Anstellungen ihrer studentischen Mitarbeitenden. Wobei sie zu dem Schluss kamen, dass alle aktuellen Verträge rechtskonform seien. Anders im Nachbarland Sachsen- Anhalt, wo rechtssichere Beschäftigungsverhältnisse zum Vorteil der studentischen Mitarbeitenden schon seit Jahren gelten. Ob solche Prüfungen auch für die Universität Greifswald angedacht sind, ist nicht auszuschließen. In einem Artikel der Schweriner Volkszeitung sagt Jan Messerschmidt, Sprecher der Hochschulkommunikation, dass einige Beschäftigungsverhältnisse an der Universität Greifswald außerhalb von Instituten und Lehrstühlen beständen.

Auf den Schultern von Zwergen

Noch im November standen Studierende, Dozierende und Rektorat auf dem Rubenowplatz zusammen. Sie demonstrierten mit geeinter Stimme gegen die Sparmaßnahmen der Landesregierung. Was dabei vergessen wurde, ist, dass »Arbeitnehmende« und »Arbeitgebende« eben nicht auf derselben Seite stehen. Hilfskräfte werden aus Sachmitteln bezahlt, die wiederum aus einem Globalhaushalt des Landes kommen. Wie viel für SHK und WHK ausgegeben wird, ist den Hochschulen freigestellt. Natürlich sind die Kürzungen frappierend und sie betreten die ganze Hochschullandschaft, dennoch werden sie seit Jahren nach ganz unten weitergegeben. Das geht auch zu Lasten der hauptberuflichen Mitarbeitenden. Stellen werden lieber mit kostengünstigen Hilfskräften besetzt, als dass langfristig neue Stellen geschaffen werden. Eine angespannte Lage, die sich auch in der Personalsituation der Universitäten widerspiegelt: sich anhäufende Überstunden, ein hoher Krankheitsstand und überlastete Arbeitnehmende.

Was fehlt...

…ist Wertschätzung. Diese drückt sich in vielerlei Weisen aus. In der Sichtbarkeit von Arbeit, in der ebenbürtigen und respektvollen Behandlung und letztlich auch in der angemessenen Bezahlung der studentischen Mitarbeitenden. Was viele studentische Mitarbeitende aber erleben, sind kurze Vertragslaufzeiten, die teilweise vor dem Studienabschluss auslaufen, unklare Urlaubsregelungen, Lohndumping und emotionale Erpressung. Und das, obwohl klar ist, dass viele der Strukturen ohne die Unterstützung von Hilfskräften nur beschränkt arbeitsfähig wären. Was ebenso fehlt, ist ein Tarifvertrag. Die GEW fordert schon lange einen Tarifvertrag für Studierende (TVStud). Gemeinsam mit anderen Gewerkschaften in MV kämpfen sie für den Schutz von studentischen Mitarbeitenden. Der TVStud soll Studierenden einen angemessenen Lohn und eine bessere Planbarkeit durch Mindestvertragslaufzeiten und Mindeststandards bei den Arbeitsverträgen sichern. Aktuell werden die Entgelte der Hilfskräfte anhand der Tariferhöhungen der hauptberuflichen Beschäftigten nachvollzogen. Jedoch ist dies nach der letzten Tarifrunde Ende 2021 nicht mehr geschehen, sodass die studentischen Mitarbeitenden leer ausgingen.

Tatsächlich ist ein Tarifvertrag für Studierende sogar im Koalitionsvertrag festgehalten. Es gilt allerdings als unwahrscheinlich, dass die Landesregierung als Arbeitgebende von sich aus ohne Druck zu Tarifverhandlungen aufruft. Ein Tarifvertrag kann nur von Gewerkschaften ausgehandelt werden, erklärt Paul Fietz, Referent für Tarif- und Beamtenpolitik der GEW MV. Studierende, die schon jetzt daran zweifeln, ob bei ihrer Arbeit rechtlich alles sauber läuft, können sich von der GEW beraten lassen. Mitglieder erhalten dort Rechtsberatung und volle Unterstützung, falls es zur Klage vor Gericht kommt. Solange es keinen allgemeingültigen Tarifvertrag für Studierende gibt, gilt jeder Erfolg vor Gericht nur für die Person, die geklagt hat. Um Forderungen durchzusetzen, braucht es den Druck von vielen, so Fietz. Eine Gewerkschafts-Hochschulgruppe gibt es übrigens bereits. Den Artikel hierzu findet ihr im webmoritz.