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Kitabericht:

„Alle Jahre wieder die gleiche doofe Tour ...

... die andren haben 'nen Weihnachtsbaum und wir 'ne Witzfigur. Unser Kitareferent Christopher Lanzke liest den "Kitabericht 2022" vom Paritätischen und macht sich Gedanken zur Mangelsituation in den Kitas. Ein Rant.

Quelle: Pixabay

Auch wenn noch nicht Weihnachten ist, fühle ich mich bei jeder neuen Studie, wie zuletzt der der Paritäter zur Situation in den Kitas, an das Weihnachtslied von Frank Schöbel erinnert: „Alle Jahre wieder die gleiche doofe Tour – die andren haben ‚nen Weihnachtsbaum und wir ‚ne Witzfigur.“

Seit Jahren versuchen wir auf das Problem in den Kitas aufmerksam zu machen und doch passiert kaum etwas oder eigentlich nichts. Zwar haben wir eine der bundesweit höchsten Betreuungsauslastung und die (fast) längsten Öffnungszeiten (11 Stunden nur Brandenburg hat mit 11,1 mehr), aber wir haben auch massive Probleme. Diese sind jedoch seit langem bekannt und werden mit der jetzt erschienenen Kita-Studie des Paritätischen nochmals benannt und bestätigt.  Dass ein landesweit einheitlicher Mindestpersonalschlüssel kommen muss, liegt nun einmal mehr auf der Hand. Es fehlen jedoch erneut Aussagen zur Fachkraft-Kind-Relation in den Bereichen Krippe und Hort. Diese sind in dieser Legislaturperiode wieder nicht berücksichtigt.

Wir sehen in anderen Bereichen was alles auf die Beine gestellt wird, wenn man das will! So wurde gerade die Transfergesellschaft für die MV-Werften bis Oktober verlängert. Aber Kinder haben wohl keine Lobby! Wer tritt für sie ein?

In der Pandemie hatten wir laut der Studie eine Kita-Auslastung von 44,4 %. Damit Belegen wir Platz 3. in der Bundesstatistik. Nur in zwei anderen Bundesländern wurden anteilig mehr Kinder betreut. Und entsprechend dieser Statistik haben wir eigentlich genug Personal in der Hinterhand. Nur rund ein Viertel unserer Erzieher*innenmachen Überstunden und damit belegen wir den vorletzten Platz. Das Problem ist nicht fehlendes Personal, weil keins da ist. Denn bei der Frage ob die Plätze in der Kita fehlen, weil keine Fachkräfte zur Verfügung stehen, belegen wir den letzten Platz. Aber sie können nicht eigestellt werden, da sonst alle Träger oberhalb des Personalschlüssels arbeiten würden und das wird nicht finanziert.

MV ist das Bundesland, in dem die meisten Menschen sagen, dass der Betreuungsschlüssel überhaupt nicht den Bedürfnissen der Kinder und damit dem Kindeswohl entspricht. Rund 83 Prozent der Erzieher*innen in MV stimmen laut Studie der Aussage „Mit dem vorgegebenen Personalschlüssel in unserer Einrichtung kann den Bedürfnissen der Kinder entsprochen werden“ nicht zu! 83 Prozent!

Wie sollen, so frage ich mich, so grundlegend positive Ansätze, wie die Bildungskonzeption umgesetzt werden, für jedes einzelne Kind? Es müssen also Kinder in MV auf der Strecke bleiben! Wenn nun die Kinder unsere Zukunft sind, dann haben wir bei dem was investiert wird (oder eben nicht investiert wird!), nicht viel zu erwarten. Wir können nur dankbar sein, dass wir viele hochmotivierte Erzieher*innen haben, die bereit sind, so viel zu opfern. Denn auch wenn vergleichsweise wenig Überstunden gemacht werden: Es kostet einfach jeden Tag Nerven. Was viele unserer Kolleg*innen bewegt ist, dass sie die Kinder nicht im Stich lassen möchten. Immer wieder hören wir, dass Erzieher*innen ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden, weil einfach die Zeit „am Kind“ aufgrund der Gruppengröße nicht reicht. Aufgrund des schlechten Personalschlüssels wird einfach zu wenig Personal vorgehalten für Krankheit und für die mittelbare pädagogische Arbeit. Da hilft es auch nicht, wenn man die am besten ausgebildeten Fachkräfte hat.

Diese Bedingungen sind nicht nur für die Kinder und die heutigen Erzieher*innen schlecht, sie wirken auch abschreckend auf den Berufsnachwuchs. Laut der Kita-Studie sagt die Hälfte der Kolleg*innen, dass sie nicht genug Zeit für die Auszubildenden haben - so viel wie in keinem anderen Bundesland. Um Erzieher*in zu werden bedarf es einer Anleitung durch erfahrene Fachpersonen, und gerade in den ersten Monaten jemanden der den Nachwuchs an die Hand nimmt.

Ich wage den Blick in Glaskugel und behaupte, dass wir auch bei der nächsten Studie nicht besser dastehen. Dass Prozesse ihre Zeit brauchen, ist mir klar. Aber in den letzten zehn Jahren hat sich in meinen Augen kaum etwas bewegt. Die Tippelschritte, die passiert sind, wurden auch durch uns Gewerkschafter*innen mehr als hart erkämpft. Noch immer versuchen wir das aufzuholen, was die anderen Bundesländer längst haben, bedenken dabei jedoch nicht, dass die anderen Bundesländer sich auch weiterentwickeln. Wenn wir also irgendwann im Mittelfeld ankommen wollen (und ich spreche bewusst nicht davon, ganz oben dabei zu sein, auch wenn das wünschenswert wäre) dann müssen wir unsere Bemühungen mehr als verdoppeln. Ich meine, die rot-rot geführte Landesregierung hat nun die Chance sich zu beweisen. Und nicht vergessen: Neben den Rahmenbedingungen geht es immer auch um Bildungsinhalte, wie etwa die Ganztagsschule und die so dringend notwendige Neuausrichtung der frühkindlichen Bildung! Aber das wäre dann Thema für den nächsten Rant …

Kontakt
Christopher Köster
Referent für Jugendhilfe, Sozialarbeit und Organisationspolitik
Adresse Lübecker Straße 265a
19059 Schwerin
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Telefon:  0385 48527 - 18
Fax:  0385/48527-24